Mittwoch, 7. Dezember 2005

1.2.3.1.1.1.1: Gewitter

… auf einmal fing es auch noch an zu gewittern …

1.2.1.1.1.1.1.1.1: eine Pause

Sie schlug das Buch zu. »Ich brauche eine Pause mit dem Lesen. Wollt ihr nicht lieber ein bisschen schafen?« »Nein, Tante, wie können wir bei einer so spannenden Geschichte schlafen? Weiter! Wie geht es weiter?« Sie wischte eine Träne von ihrer Wange. Wie konnte sie diese Geschichte nur weiterlesen? Es war Sonntag heute und es sollte noch gewittern.

Also gut: …

1.1.1.1.1.1: wieder entflogen

… eine Elster hatte sich diesen geschnappt. Nun sah er sie wegfliegen. Doch dies konnte er sich nicht gefallen lassen! …

1.2.1.1.1.1.1.1 + B.1 = C: Adelheid

Benno wollte schnell vorankommen, doch das kleine rote Mützenmädchen mit seinen tapsigen Schritten bremste den erfahrenen Waldläufer. Er war beunruhigt; der Forst schien ihm zunehmend fremder, die Flora dichter und das Unterholz belebter.
Da traten die beiden plötzlich auf eine helle Lichtung hervor und ehe sie sich versahen, stürzte ein dunkler Schatten auf sie zu. Mit einem dumpfen Schlag landete etwas direkt vor ihren Füßen.
Es war ein seltsamer Vogel, der da so bewegungslos und nervös zuckend im satten Grün lag. Bennos ornithologischem Urteilsvermögen nach handelte es sich bei diesem Exemplar um eine überdimensionale Elster, aber ganz sicher war er aufgrund ihres Gewandes nicht.
Als er sich bei der Begutachtung noch weiter über das Vogeltier beugte, strömte ihm abermals ein aufdringlich süßer Duft in die Nasenflügel. Diesmal war es nicht der von Waldmeistersirup, es war Chanel No 5!, da war Benno sich ganz sicher, denn das hatte seine erste Freundin, die Magd Adelheid zu ganz gewissen Anlässen immer aufgetragen.
Ach, was kamen da Gefühle in ihm auf!

1.3.2.1: Keiner will den Fuchs beißen

Als er aber das seltsame und greuliche Tier mit eigenen Augen sah, so geriet er in nicht geringere Angst als der Knecht. Mit ein paar Sätzen sprang er hinaus, lief zu seinen Nachbarn und bat sie flehentlich, ihm gegen ein unbekanntes und gefährliches Tier Beistand zu leisten; ohnehin könnte die ganze Stadt in Gefahr kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, heraus bräche. Es entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen, Heugabeln, Sensen und Äxten bewaffnet herbei, als wollten sie gegen den Feind ausziehen: zuletzt erschienen auch die Herren des Rats mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer und umringten sie von allen Seiten.

Hierauf trat einer der beherztesten hervor und ging mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und totenbleich wieder herausgelaufen, und konnte kein Wort hervorbringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es erging ihnen aber nicht besser.

Endlich trat einer hervor, ein großer starker Mann, der wegen seiner Kriegstaten berühmt war, und sprach »Mit bloßem Ansehen werdet ihr das Ungetüm nicht vertreiben, hier muss Ernst gebraucht werden, aber ich sehe, daß ihr alle zu Weibern geworden seid und keiner den Fuchs beißen will.« Er ließ sich Harnisch, Schwert und Spieß bringen und rüstete sich. Alle rühmten seinen Mut, obgleich viele um sein Leben besorgt waren.

Die beiden Scheuertore wurden aufgetan, und man erblickte die Eule, die sich indessen in die Mitte auf einen großen Querbalken gesetzt hatte. Er ließ eine Leiter herbeibringen, und als er sie anlegte und sich bereitete hinaufzusteigen, so riefen ihm alle zu, er solle sich männlich halten, und empfahlen ihn dem heiligen Georg, der den Drachen getötet hatte.

1.3.3: Adelberts Flug beginnt

Die Krähe stieg hoch hinauf, immer höher, bis sie das ganze Dorf im Blick hatte. Ja, jetzt konnte Adelbert alles sehen!

Aus dieser Perspektive sah es nicht gut aus für Bubo, den armen Uhu. Adelbert erkannte noch, wie erst Benno und nach ihm dessen Herr den Scheuer betraten und sogleich wieder herausstürzten – aber davon wollte er ja erst später berichten.

Zunächst flog er weiter, über das rote Etwas hinweg, das am Waldesrand im Schnee lag und von hier oben nur noch als ein leuchtender Punkt erschien, über den Wald, weiter Richtung Stadt.

Unter ihm glitzerte der Fluß in den ersten Sonnenstrahlen des Tages; und da sah er den Mann aus dem Schulgebäude herauskommen! Dieser Mann gab vor, Renatus Schlehmichel zu sein (und vielleicht war das auch die Wahrheit), doch Adelbert wusste es, wieder einmal, besser: Zu sehr erinnerte ihn der Name an Peter Schlemihl, eine arme Kreatur, welche seinen Schatten an den Teufel verkauft hatte. Vor langer Zeit – es musste zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewesen sein – hatte ein Herr von Chamisso der Krähe von Schlemihl und seiner wunderbaren Geschichte berichtet.

Und war »Renatus« nicht lateinisch? Adelbert sah sich bestätigt, er kannte diesen »Schlehmichel«!

1.3.2: Benno im Scheuer

Als nun der Hausknecht morgens in die Scheuer kam, um Stroh für die Tiere zu holen, erschrak er bei dem Anblick der Eule, die da in einer Ecke saß und so schrecklich aussah, so gewaltig, daß er fortlief und seinem Herrn ankündigte, ein Ungeheuer, wie er zeit seines Lebens keins erblickt hätte, säße in der Scheuer, drehe die Augen im Kopf herum und könne einen ohne Umstände verschlingen.

»Ich kenn’ dich schon«, sagte der Herr, »einer Amsel im Felde nachzujagen, dazu hast du Mut genug; aber wenn du ein totes Huhn liegen siehst, so holst du dir erst einen Stock, ehe du ihm nahe kommst. Ich muß nur selbst einmal nachsehen, was das für ein Ungeheuer ist«, setzte der Herr hinzu, ging ganz tapfer zur Scheuer hinein und blickte umher.

1.3.1.1.2: Esthers Spott

»Du, Eule, lernst Hasch-mich nimmermehr!« frohlockte die Elster – sie war ja ein Rabenvogel (mütterlicherseits). Nie hätte sie gedacht, dass es so leicht sein würde; die dumme Eule glich Orion, dem Tolpatsch. »Schlaue Elster – Chanel im Schuh verwirrt den Uhu!«, lobte sich Esther selbst. »Nehmt ihn nur!«, der Bubo hatte ihr den Schatz regelrecht aufgedrängt.
Endlich, endlich hatte sie DEN Ring!

Jetzt musste sie nur noch die CONTRAFUMO finden.

1.2.1.1.1.1.1: Der Aufbruch

»Manno! Hast du mich denn ganz vergessen?«, piepste das zaghafte Stimmchen seiner kleinen Begleiterin mit der roten Kappe. »Du hast drei geschlagene Stunde geschlafen während ich mich hier langweilen musste! Und dann dein Geschwafel! Was hast du denn nur geträumt? Ich war schon richtig ängstlich, wollte dich aber auch nicht wecken. Meine Großmutter erzählte mir immer wieder, das bringe großes Unheil.«
Benno nahm das zierliche Wesen an die Hand und sagte: »Sorge dich nicht, meine Kleine. Ich bin hier bei dir und werde jetzt besser aufpassen. Trotzdem sollten wir jetzt tunlichst verschwinden, denn ich habe eine ungute Vorahnung. Im Gehen berichtete Benno von der Elefanten-Vision, doch denn Rest des Traumes behielt er vorerst für sich.

1.3.1.1.1 + 1.3.1.1.2.1 = B: In freiem Fall

Und schon befand sich die gelernte Steilflüglerin in unendlichen Höhen. Das Schmuckstück ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wie konnte es sein, dass dieser dahergelaufene Uhu einen derartigen Ring zur Schau stellte? Die wirren Gedanken brachten sie aus dem Konzept, was sich an einem nervösen Zucken ihrer Rückenmuskulatur zeigte. »Nicht ablenken lassen, Esther!« Sie versuchte sich zu beruhigen. Diese Situation kam ihr bekannt vor. Sie dachte an ihren letzten bedeutenden Wettkampf in der Nesterflugschau Schwingenheim. Dort hatte sie plötzlich völlig die Kontrolle verloren, als sie über ihre verflogene Liebschaft sinnieren musste. Die Elster verlor bereits an Höhe, kam ins Schwanken. Dieser Zustand steigerte ihre Nervosität jedoch um so mehr. Ihr wurde schwarz vor Augen und merkte nur noch wie von Ferne, dass sie mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufschlug.

1.3.1.1: Ist das nicht das Vogellied?

»Hast du mich gerufen? Wer hat nach mir gerufen? Hier bin ich! Esther die Elster!«, vernahm der Schuhu eine sich überschlagende Stimme, und mit einem wenig eleganten Flatsch landete eine außergewöhnlich beleibte, über und über mit Geschmeide behängte Elster fast auf dem Schoß des Schuhu.
»Schmuck und Geschmeide, Geschmeide und Schmuck. Gold und Silber, silber und Gold. Gib mir all’ jenes, das Glück sei dir hold!«, flötete sie und zwinkerte, den Kopf leicht geneigt, dem Schuhu zu. Dieser wollte, benebelt von ihrem schweren Duft, der überkandidelten Vogeldame Einhalt gebieten, und das um jeden Preis. Chanel No 5 war ihm schon immer zuwider gewesen. Dafür gäbe er sogar den funkelnden Ring, der ihn so magisch anzog.
»Esther, seht, was vor euch liegt. Ein kostbarer Ring, funkelnd und silbrig! Nehmt ihn nur!«
Die Elster war sofort interessiert. Ihre Äuglein traten gierig hervor. Mit wendigem Hals ließ sie ihren Kopf herumsausen und taxierte den Ring.
Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Sie stammelte: »Der Ring! Es ist tatsächlich DER Ring!« Für einen Moment herrschte gespannte Stille.
Mit einem kurzen gehetzten Seitenblick auf den verdutzten Schuhu hob die Elster ihre Schwingen und verließ denselbigen in allergrößter Hast.

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Fotos © Ulrike Stoltz, Florian Hardwig

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